Das Bildungssystem in den öffentlichen Schulen betont heute einseitig das kognitive Lernen. In einer schwerpunktmäßig erfolgs- und wirtschaftsorientierten, auf Funktionieren und Nützlichkeit abgestellten Bildungspolitik, die zudem ihre Ziele in immer kürzerer Zeit erreichen soll (G8), haben humanistische Ideale und das Bildungsziel der freien Selbstbestimmung, die einmal unsere Ideale als „Abendland“ waren, kaum noch Platz. Es fehlt ein tragfähiges, ganzheitsorientiertes Menschenbild.
Die zunehmende Digitalisierung der Schulen und die Überflutung durch Konsumangebote in unserer Gesellschaft bewirken eine einseitige Persönlichkeitsentwicklung unserer Kinder und Jugendlichen. Die Allgegenwart der digitalen Medien und virtuellen Welten lässt die natürliche Sinneswahrnehmung verkümmern und damit die Grundlage jeglicher Bildung und des Lernens. Der Jurist und Psychologe Thomas Fischer ist der Meinung, „dass G8 und die Digitalisierung den Kindern zu wenig Platz gibt, sich wirklich im Leben einzuleben.“
Angesichts der gewaltigen Informations- und Bilderflut und der unzähligen Angebote zur Zerstreuung ist es für viele junge Menschen, aber auch für Erwachsene, fast unmöglich, in sich selbst zur Ruhe zu kommen. Bei all dem Übermaß scheint es heute schwieriger denn je, tragfähige Sinnhorizonte im Leben zu finden, sowie Ur-Vertrauen und Authentizität zu entwickeln.
Die Jugendmusikschulen des Landes sehen es als ihre Aufgabe an, ein Gegengewicht zu dieser Entwicklung zu bilden. Sie setzen sich dafür ein, dass Kinder singen und ein Instrument lernen, mit anderen zusammen spielen, „in Resonanz“ treten. Dies ist aus vielen Gründen wichtig:
Fähigkeiten wie Ausdauer, Freude an Wiederholung, weil das Stück jedes Mal besser geht, das Training des Auffassungsvermögens und der Merkfähigkeit, die Einbeziehung des Körpers und der Sinne beim Lernen, müssen einen Platz im täglichen Leben einnehmen und eine Alternative zu der Reizüberflutung digitaler und sozialer Medien bilden. Beim Musizieren werden Hören, Bewegen, Fühlen und Sehen gleichzeitig im Hirn verschaltet. „Wer lernt, wird klug.“ Das gilt besonders für die Musik, nur dass hier alles noch ein bisschen schöner ist.
Beim Musizieren in der Gruppe ist der Beste kein Streber. Vielmehr nimmt er seine Freunde mit. Er hilft ihnen beim Weiterkommen. Dafür sind soziale Kompetenzen gefordert. Pünktlichkeit, Disziplin, Einfühlungsvermögen und Rücksichtnahme. Das ergibt im Ensemble Teamfähigkeit. Wer gern die erste Geige spielt, wird lernen Kompromisse einzugehen. So lernen die jungen Musiker Stück für Stück. Sie stärken in der Gemeinschaft ihre eigene Persönlichkeit. Gleichzeitig entstehen soziale Kontakte.
Weil sie Herz und Sinne erfüllt, ist Musikmachen einfach schön! Der Mensch bringt sein Inneres mit den Tönen zum Ausdruck. Ganz gleich, ob nach Noten gespielt oder improvisiert wird, mit Eigeninitiative, Spontaneität und Fantasie trainieren die jungen Musiker ihren Gestaltungswillen. Wenn der Schüler merkt: „Jetzt kann ich's“, bringt das gute Laune. Umso mehr, wenn dann der Schüler im Schülerkonzert den Applaus des Publikums erlebt.
Auf dem Weg dahin kann jeder Schritt Lebensfreude bringen, jede richtig gespielte Note belohnt das Instrument mit einem schönen, gelungenen Klang. So wird Musik zum Freund fürs Leben.